Fasten im Tierreich

Der Kaiserpinguin: Profifaster in der Antarktis

Es ist das Natürlichste der Welt: Zeiten der Nahrungsknappheit wechseln mit Zeiten der Fülle. Und seit Jahrmillionen stellen sich die Lebewesen hierauf ein. Das Natürliche ist also nicht die dauernde Fülle, sondern der Wechsel. Essen und Fasten!

Minus 40 Grad. Antarktische Halbinsel. Hunderte Kaiserpinguine kauern sich auf einer geschlossenen Eisdecke zusammen. Eine Anhöhe gibt etwas Windschatten. Sie brüten – und sie nehmen keinerlei Nahrung zu sich, leben aus ihren Fettreserven. Dann macht sich in den Tieren eine Art Reservetankanzeige bemerkbar: „Energie reicht noch für 180 Kilometer“. Sie marschieren in einer Kolonne los. Der Darm bereitet sich auf die Nahrungsaufnahme vor. Und tatsächlich: Noch vor Erschöpfung der Energiereserven finden die Vögel Löcher im Packeis. Sie sind hellwach, leistungsfähig und machen sich auf die Jagd. Sie finden Fische, Tintenfische und Krill.

Die Kaiserpinguine sind Profifaster – in der Brutzeit bis zu 4 Monate! Sie nutzen ein ausgefeiltes biologisches Programm, das ihre körpereigenen Proteinreserven schont und auf das Fettgewebe zurückgreift. Fett ist ein hervorragender Energiespeicher. Der kalorische Wert der Körperbrennstoffe ist unterschiedlich. Glykogen liefert nur 4 Kilokalorien pro Gramm und braucht noch mal 3 bis 5 Gramm Wasser zur Speicherung; Fett dagegen liefert 8,7 bis 9,5 Kilokalorien pro Gramm und braucht nur 0,1 Gramm Wasser zur Speicherung. Körper und Gehirn werden gut über den Fettstoffwechsel ernährt – so gut, dass die Tiere leistungsstark genug sind, um sich nach der Fastenphase sofort wieder erfolgreich Beute zu erjagen. Ohne diese Fähigkeit würde eine Tierrasse unweigerlich aussterben. (Le Maho, 2013)

Der Mensch: ein Säugetier, das fasten kann

Diese Fähigkeit auf einen anderen Stoffwechsel zu „switchen“ haben nicht nur die Kaiserpinguine, sondern auch Säugetiere – unter anderem der Mensch. Nach der Wanderung aus dem Äquatorialraum musste er sich mit Klima- und Wachstumszyklen auseinandersetzen, das Nahrungsangebot wechselte (Stange, 2017). Der Urmensch musste auch nach längerem Nahrungsentzug in der Lage sein erfolgreich zu jagen (Mattson, 2014). Hieran hat er sich mit der Fähigkeit zur Depotbildung und dessen Mobilisierung angepasst. Interessant, aber bisher letztlich unbeantwortet, ist die Frage, warum Menschen unter sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen und in unterschiedlichen Klimazonen das Fasten als Praxis in allen großen Weltreligionen verankert haben (Stange, 2017).

Neuere Hinweise aus der Forschung zeigen, dass dieses biologische Programm aber nicht nur nützlich ist, um Zeiten der Nahrungsknappheit zu überstehen. Der Wechsel zwischen den beiden Stoffwechselprogrammen scheint auch zur Erhaltung der Gesundheit bei Säugetieren sehr nutzbringend zu sein. Ist der Fastenstoffwechsel vielleicht nicht nur Ausnahmezustand, sondern der Urzustand, den der Körper zur Energiegewinnung bevorzugt? (fa)

Quellen

  • Le Maho, Y. (2013). Verschiedene Formen von Kalorienrestriktion und saisonales Fasten in der Tierwelt. Überlingen.
  • Mattson, M. (2014). Why fasting bolsters brain power: Mark Mattson at TEDxJohnsHopkinsUniversity. Von https://www.youtube.com/watch?v=4UkZAwKoCP8 abgerufen
  • Stange, R. (November 2017). Fasten – präventiv, therapeutisch, kontinuierlich, intermittierend? Ernährungs Umschau.